Stachel & Gift der Hornisse
Fotos von Dr. Elmar Billig
Der Wehrstachel ist evolutionsgeschichtlich (phylogenetisch) aus einem ursprünglichen
Legebohrer (Ovipositor)
entstanden. Somit besitzen also nur weibliche Tiere dieses Merkmal und können stechen. Den
Männchen (Drohnen) der Wespen fehlt der Stachel. Der Wehrstachel hat zu dem manchmal verwendeten Begriff "Stechwespen"
geführt.
Die Länge eines Hornissenstachels beträgt ca. 3,4 bis 3,7mm (bei den Bienen sind es ungefähr 2,5 mm, bei den Wespen in etwa 2,6 mm).
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Funktionsweise des Stechapparats
Text von
Thomas Rickinger
Der eigentliche Wehrstachel besteht aus drei Komponenten, der Stachelrinne sowie den beiden Stechborsten
(Abb. 1). Die Stechborsten, auch Lanzetten genannt, sind beweglich gelagert und können unabhängig voneinander entlang der Stachelrinne vor- und zurückgleiten. Sie
besitzen an ihrer Spitze Widerhaken (sieben pro Stechborste bei der Hornisse), die beim Stich der Verankerung in der Haut dienen. Im Vergleich zur Honigbiene
sind die Stechborsten bei der Hornisse kleiner und die Verankerung in der Stichstelle ist weniger fest. Auch die bei Vespinen wesentlich stärker
ausgebildete Muskulatur des Stachelapparats gewährleistet, dass diese ihren Stachel aus der elastischen Wirbeltierhaut in der Regel wieder unbeschadet
herausziehen können. Hornissen können daher ebenso wie Wespen mehrmals stechen.
Beim Stichvorgang werden Stachelrinne und Stechborsten in die Haut gestoßen. Durch alternierende Bewegungen arbeiten sich
die beiden Stechborsten anschließend tiefer in die Stichwunde hinein (Abb. 2).
Das Gift wird in zwei länglichen, schlauchförmigen Drüsen (Giftdrüsen, „saure Drüsen“) gebildet, die sich
vereinigen und in ein Reservoir, der so genannten „Giftblase“, münden. Die Giftblase weist eine gut entwickelte Muskulatur auf. Sie enthält im gefüllten
Zustand bis zu 0,5 mg Rohgift. Das durchschnittliche Trockengewicht des Giftblaseninhaltes beträgt 0,19 mg. Beim Stichvorgang wird durch
Muskelkontraktion das in dem Reservoir gespeicherte Gift durch den Giftkanal in die Wunde gepresst.
Mit dem Stechapparat ist noch eine weitere Drüse verbunden, die Dufour‘sche oder „alkalische Drüse“. Ihre Funktion ist bisher
noch ungeklärt. Ursprünglich nahm man an, dass diese Drüse einen Teil der Giftkomponente produziert oder ihr Sekret zur Neutralisation des Giftes im
Körper der Wespe oder Hornisse dient. Beides trifft nicht zu. Das von der Dufour‘schen Drüse produzierte Sekret wird beim Stich nicht in die Wunde
eingespritzt.
Giftzusammensetzung
Die Gifte der aculeaten Hymenopteren setzen sich aus mehreren Stoffgruppen zusammen. Hauptbestandteile sind biogene Amine sowie
basische Polypeptide und Kinine. Enzyme treten dagegen nur im untergeordneten Maße auf. Außerdem enthält das Gift zahlreiche freie Aminosäuren, die jedoch
vermutlich für die Giftwirkung bedeutungslos sind. Während die qualitative Zusammensetzung von Wespen- und Hornissengift inzwischen recht gut erforscht
ist, herrscht über den quantitativen Anteil der einzelnen Stoffe am Gesamtgift teilweise noch Unklarheit.
Biogene Amine
Aus dieser Stoffgruppe wurden im Hornissengift Histamin, Serotonin (5-Hydroxytryptamin), Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin sowie
der Neurotransmitter Acetylcholin nachgewiesen. Der Anteil an Acetylcholin beträgt etwa 5% des Trockengewichts und liegt damit in der höchsten
Konzentration vor, die bisher bei einem Lebewesen gefunden wurde. Histamin und Serotonin machen weitere 1-3% des Trockengewichtes aus. Alle genannten
Substanzen haben einen starken schmerzerzeugenden Effekt. Sie sind außerdem für Hautrötung, Juckreiz und Quaddelbildung verantwortlich und beeinflussen die
glatte Muskulatur. Für die Allgemeintoxizität des Giftes spielen sie wohl aber keine Rolle, da diese Stoffe im Körper sehr rasch wieder abgebaut werden. Peptide
Hierzu gehören basische Polypeptide und Kinine.
Unter letzteren versteht man aus etwa 10-20 Aminosäureresten bestehende niedermolekulare Peptide. Bienengift enthält keine Kinine. Hornissen- und Wespen-Kinin sind einander recht ähnlich. Beide führen zur Kontraktion der glatten Muskulatur, wirken blutdrucksenkend (hypotensiv), stark schmerzerzeugend
und erhöhen die vaskuläre Permeabilität. Die quantitative Wirkung von Hornissen-Kinin ist etwas geringer als die des
Wespen-Kinin.
An Polypeptiden kommen im Hornissengift Mastoparan C und
Crabrolin vor. Beide Stoffe setzen durch Degranulierung von
Mastzellen Histamin frei und sind dadurch wesentlich für die starke Schmerzwirkung eines Hornissenstiches mit verantwortlich.
Enzyme
Im Gegensatz zu anderen tierischen Giften enthält Hornissengift anteilmäßig nur wenige Enzyme. Die wichtigsten davon sind Phospholipase A und B sowie Hyaluronidase, außerdem treten saure, alkalische und neutrale
DNAsen und Proteasen auf. Die Phospholipasen sowie Hyaluronidase wirken lokal zytolytisch (zellschädigend). Sie erhöhen die Permeabilität und erleichtern dadurch die Ausbreitung des Giftes in das angrenzende Gewebe.
Hyaluronidase wird daher auch als „spreading factor“ bezeichnet. Die drei erstgenannten Enzyme sind zudem die wichtigsten Allergene im Hornissen- und
Wespengift.
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Giftwirkung
Hornissengift enthält zahlreiche schmerzerzeugende Komponenten, insbesondere Acetylcholin in hoher
Konzentration. Dadurch – und aufgrund der durch den längeren Stachel tieferen Stichwunde – wird ein Hornissenstich als deutlich schmerzhafter empfunden als ein Bienen- oder Wespenstich.
Die Allgemeintoxizität ist hingegen im Vergleich mit anderen stacheltragenden Hautflüglern erstaunlich gering. Zwar lässt sich
das gebräuchliche Maß für die Gefährlichkeit einer Giftsubstanz, die in Tierversuchen ermittelte, mittlere letale Dosis LD50, nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen, sie liefert jedoch durchaus einen groben
Anhaltspunkt.
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Tabelle: LD50
- Werte für Hymenopterengifte bei Mäusen1)
Familie |
Spezies |
Deutscher Name |
LD50 (mg/kg) |
Apidae |
Apis mellifera |
Honigbiene |
2,8 |
Mutillidae |
Dasymutilla klugii |
Ameisenwespe |
71 |
Vespidae |
Vespa mandarinia japonica |
Asiatische Riesenhornisse |
4,1 |
Vespidae |
Vespa simillima xanthoptera |
- |
3,1 |
Vespidae |
Vespa luctuosa |
- |
1,8 |
Vespidae |
Vespa tropica |
- |
2,8 |
Vespidae |
Polistes canadensis |
- |
2,4 |
Vespidae |
Vespula squamosa |
- |
3,5 |
Vespidae |
Dolichovespula maculata |
- |
30 |
Vespidae |
Vespa crabro |
Hornisse |
10 |
Formicidae |
Pogonomyrmex maricopa |
Ernteameise |
0,12 |
1)
Anmerkung:
Ein niedriger LD50-Wert impliziert höhere Giftigkeit
(weniger Gift wird benötigt). Bei mehreren Quellen für die Giftigkeit einer Art
wurde stets der kleinste Wert ausgewählt.
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Maße des abgebildeten Stachels:
3,45 mm lang, Durchmesser an der Spitze ca. 2-3 Hundertstel mm, in der Mitte ca. 5-6 Hundertstel mm und am Körper etwa 8-9 Hundertstel mm. Hohler Giftkanal in der Mitte gut zu erkennen.
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