Verständigung im HornissenvolkVORWORT: Insektenstaaten mit ihrer komplexen sozialen Struktur können nur existieren, wenn Informationsaustausch zwischen den Volksmitgliedern möglich ist. Jedes einzelne Tier muss über die momentanen Bedürfnisse des Volkes unterrichtet sein, um seine Arbeitskraft sinnvoll in den Dienst der Gemeinschaft stellen zu können. Wie kommunizieren nun Hornissen miteinander? 1. Chemische KommunikationDiese Art der Verständigung basiert auf der Freisetzung chemischer Botenstoffe, so genannter Pheromone. Analog zu den Hormonen, die aber im Organismus nach innen wirken, rufen Pheromone eine bestimmte Reaktion zwischen den Individuen einer Art hervor. Chemischen Signalen kommt im Hornissenvolk eine zentrale Bedeutung zu. 1.1 Volkskontrolle durch die Königin Neuere Untersuchungen zeigen, dass dies vermutlich nicht der Fall ist. Tatsächlich werden aber von Arbeiterinnen gelegte Eier innerhalb kurzer Zeit von anderen Arbeiterinnen aufgefressen, von der Königin gelegte Eier jedoch nicht. Die Arbeiterinnen eines Volkes überwachen sich also gegenseitig und verhindern jeden Versuch, sich fortzupflanzen (worker policing, FOSTER et al. 2002). Unter diesen Umständen bildet nur ein verschwindend geringer Teil der Arbeiterinnen eines Hornissenvolkes überhaupt aktive Ovarien aus und praktisch alle männlichen Nachkommen sind Söhne der Königin (FOSTER et al. 2000). Arbeiterinnen zeigen dieses Verhalten jedoch nur in Gegenwart ihrer Königin. In orphanen Völkern beginnt nach kurzer Zeit ein Teil der Tiere mit der Eiablage. Diese Eier werden nun aber geduldet, so dass Völker ohne Königin zumindest noch männlichen Nachwuchs produzieren können. Von der Königin abgegebene Pheromone dienen in diesem Kontext vermutlich als reine Anwesenheits- und Fekunditätsssignale. Bei Vespa orientalis konnte als aktive Komponente des "Königinnenpheromons" δ -η -hexadecalacton festgestellt werden. Es bewirkt bei dieser Art außerdem die bekannte „Hofstaatbildung“ und initiiert den Bau von Geschlechtstierzellen durch die Arbeiterinnen (IKAN et al. 1969, ISHAY et al. 1965). Die Unterscheidung, ob ein Ei von der Königin oder von einer Arbeiterin gelegt wurde, wird offenbar ebenfalls aufgrund einer pheromonellen Markierung des Eies durch die Königin ermöglicht (OLDROYD et al. 2002).
1.2 Brutpflege
1.3 Nestbau 1.4 Erkennung von Nest und Nestgenossinnen Die Zusammensetzung des Nestgeruches ist offenbar nur zum Teil genetisch bedingt. Wissenschaftliche Untersuchungen weisen darauf hin, dass durch Aufnahme von Geruchssubstanzen aus der Umgebung, beispielsweise dem Nisthöhlensubstrat, dem papiernen Nestmaterial, dem Futter etc. eine Modifikation des cuticulären Kohlenwasserstoffprofils erfolgt. Der Nestgeruch ändert sich daher im Laufe der Zeit ständig und verlangt folglich eine fortwährende Lernleistung der einzelnen Koloniemitglieder (STEINMETZ 2002). Eine wichtige Rolle für das Erlernen des eigenen Nestgeruches spielt dabei der Kontakt zum Nestmaterial, welches das gleiche Kohlenwasserstoffprofil wie die Cuticula der Koloniemitglieder aufweist. Größere Hornissen- und Wespenvölkern postieren gewöhnlich Wächter am Nesteingang, die durch kurzen Antennenkontakt die Identität heimkehrender Sammlerinnen überprüfen können und koloniefremden Eindringlingen den Zugang zum Nest verwehren. Dennoch gelingt es manchen Insekten, beispielsweise der Schwebfliegenart Volucella pellucens oder dem parasitisch lebenden Käfer Metoecus paradoxus, in die Nester von sozialen Faltenwespen einzudringen, ohne ernsthaft angegriffen zu werden. Möglicherweise verfügen diese Insekten über eine chemischen Mimikry (d.h. Nachahmung des Nestduftes) oder über Pheromone, die als Repellent oder Aggressions-Inhibitor fungieren (RUPP 1989, STEINMETZ 2002). 1.5 Orientierung, Rekrutierung und Aggregation Die Verwendung terrestrischer chemischer Spuren erfolgt bei Vespa crabro nicht nur im unmittelbaren Nestbereich, sondern auch an lohnenden Nahrungsquellen wie beispielsweise Fallobst oder Ringelstellen (eigene Beobachtung). Spurlegende Sammlerinnen pressen beim Laufen das Ende des Gasters gegen die Unterlage. Gleichzeitig wird das letzte Gastralsternit ein wenig hochgedrückt, so dass die an der Basis des Sternits liegende Drüse exponiert ist. Möglicherweise besteht die so gelegte Spur nicht nur aus cuticulärem Abrieb, sondern enthält zusätzlich auch noch Pheromone aus der 6. Sternaldrüse. Die Spur dient sowohl dem schnellen Wiederfinden einer Nahrungsquelle als auch der Rekrutierung weiterer Sammlerinnen aus der näheren Umgebung (eigene Beobachtung). Offensichtlich wird die Spur in diesem Kontext jedoch nicht als koloniespezifisch empfunden, denn sie ist auch für fremde Hornissen attraktiv. Einen vergleichbaren Rekrutierungsmechanismus verwendet die asiatischen Riesenhornisse Vespa mandarinia. Diese ist in der Lage, koordinierte Massenangriffe auf Völker kleinerer Wespen- und Hornissenarten und auf Bienenstöcke zu starten. Findet eine Arbeiterin von Vespa mandarinia ein Wespen- oder Bienenvolk, so markiert es deren Nest mit einem Sekret aus der Van-der-Vechtschen Drüse. Dieses Sekret rekrutiert Nestgenossinnen aus der näheren Umgebung, welche sich anschließend am Angriff beteiligen (ONO et al. 1995). Auch bei der Nestversetzung (etwas irreführend auch „Filialbildung“ genannt) verwendet Vespa crabro offenbar Markierungs- und Aggregationspheromone, um die anderen Volksmitglieder an den neuen Neststandort zu lotsen. 1.6 Alarmverhalten und Nestverteidigung 2. Akustische KommunikationSpezielle Hörorgane fehlen den Wespen und Hornissen. Akustische Kommunikation erfolgt daher vorwiegend mittels Substratschall, d. h. die Tiere registrieren Erschütterung und Vibration der Unterlage. Das papierne Nestgebilde fungiert hierbei als Resonanzboden. Sowohl die Larven als auch die adulten Tiere benützen selbst produzierte Geräusche, um miteinander zu kommunizieren. 2.1 Geräuschproduktion der Larven
2.2 Geräuschproduktion der erwachsenen Tiere Die Arbeiterinnen und Königin von Vespa tropica klopfen mit den Hinterbeinen gelegentlich auf die Wabenfläche, während sie die Larven füttern. Die Bedeutung dieses Geräusches ist noch nicht bekannt, jedoch könnte es der Kommunikation mit der Brut dienen (MATSUURA 1984). 3. Mechanische KommunikationMechanische Kommunikation finden wir beispielsweise während der Trophallaxis zwischen zwei adulten Individuen. Sammlerinnen bringen flüssige Nahrung im Kropf heim und geben sie auf Verlangen an Nestgenossinnen weiter. Das bettelnde Tier betastet und betrillert mit seinen Antennen dabei die Mundwerkzeuge der Spenderin und erhält daraufhin eine Portion Kropfinhalt. Die korrekte „Fühlersprache“ muss von jungen Hornissen erst erlernt werden (SPRADBERY 1973, EDWARDS 1980). Auch die Larven sondern bei taktiler Reizung Tröpfchen eines nahrhaften Speichelsekrets ab, welches den Imagines als Nahrung dient.
4. Visuelle KommunikationInwieweit Hornissen visuell kommunizieren, ist bisher nur unzureichend untersucht. Wächter am Nesteingang reagieren auf unsicheres und suchendes Verhalten, während direkt dem Eingang zustrebende Sammlerinnen weniger beachtet werden. Auch abseits vom Nest erkennen sich Hornissen offenbar optisch. Doch erst Fühlerkontakt gibt ihnen Aufschluss über die jeweilige Volkszugehörigkeit (eigene Beobachtung).
Literatur: EDWARDS, R. 1980. Social Wasps. Their biology and control. Rentokil Ltd., East Grinstead, West Sussex, UK FOSTER, K.R., RATNIEKS, F.L.W., RAYBOULD, A.F. 2000. Do hornets have zombie workers? Mol. Ecol. 9:735-742. FOSTER, K.R., GULLIVER, J., RATNIEKS, F.L.W. 2002. Why workers do not reproduce: worker policing in the European hornet Vespa crabro. Insectes Sociaux 49: 41-44 IKAN, R., GOTTLIEB, R., BERGMANN, E.D., ISHAY, J. 1969. The pheromone of the queen of the Oriental hornet, Vespa orientalis. J. Insect Physiol. 15: 1709-1712. ISHAY, J. 1976. Acoustical communication in wasp colonies (Vespinae). Proc. XV.Int.Congr.Ent.Washington D.C., 1976 406-435. ISHAY, J., IKAN, R., BERGMANN, E.D. 1965. The presence of pheromones in the Oriental hornet, Vespa orientalis F. J. Insect Physiol. 11: 1307-1309. ISHAY, J., LANDAU, E.M. 1972. Vespa larvae send out rythmic hunger signals. Nature 237: 286-287. ISHAY, J., MOTRO, A., GITTER, S., BROWN, M.B. 1974. Rhythms in acoustical communication by the Oriental hornet, Vespa orientalis. Anim. Behav. 22: 741-744. ISHAY, J., PERNA, B. 1979. Building pheromones of Vespa orientalis and Polistes foederatus. J. Chem. Ecol. 5:259-272. MATSUURA, M. 1984. Comparative biology of the five Japanese species of the genus Vespa (Hymenoptera, Vespidae). Bull. Fac. Agric. Mie Univ. 69: 1-131. OLDROYD, B.P., RATNIEKS, F.L.W., WOSSLER, T.C. 2002. Egg-marking pheromones in honey-bee Apis mellifera. Behav. Ecol. Sociobiol. 51:590–591 ONO, M., IGARASHI, T., OHNO, E., SASAKI, M. 1995. Unusual thermal defense by a honeybee against mass attack by hornets. Nature 377: 334-336. RUPP, L. 1989. Die mitteleuropäischen Arten der Gattung Volucella (Diptera, Syrphidae) als Kommensalen und Parasitoide in den Nestern von Hummeln und sozialen Wespen. Diss. Albert-Ludwigs Univ. Freiburg im Breisgau RUTHER, J., SIEBEN, S., SCHRICKER, B. 1998. Role of cuticular lipids in nestmate recognition of the European hornet Vespa crabro L. (Hymenoptera, Vespidae). Ins. Soc. 45 (2): 169-179. RUTHER, J., SIEBEN, S., SCHRICKER, B. 2002. Nestmate recognition in social wasps: manipulation of hydrocarbon profiles induces aggression in the European hornet. Naturwissenschaften 89: 111-114. SIEBEN, S. 1999. Zur chemischen Ökologie von Vespa crabro L.: Chemische Orientierung, chemische Kolonieabgrenzung und Erkennung von Nestgenossinnen. Diss. FU Berlin. SPRADBERY, J.P. 1973. Wasps: An account of the biology and natural history of solitary and social wasps. University of Washington Press, Seattle. STEINMETZ, I. 2002. Der Nestduft bei sozialen Faltenwespen: Spurorientierung und Erkennung von Nestgenossinnen. Diss. FU Berlin. VEITH, H.J., KOENIGER, N. 1978. Identifizierung von cis-9-Pentacosen als Auslöser für das Wärmen der Brut bei der Hornisse. Naturwissenschaften 65: 263. VEITH, H.J., KOENIGER, N., MASCHWITZ, U. 1984. 2-Methyl-3-butene-2-ol, a major component of the alarm pheromone of the hornet Vespa crabro. Naturwissenschaften 71: 328-329.
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